Zwischentagung der Sektion Historische Bildungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft

Bildungspolitik, Erziehung und Erziehungswissenschaft „nach dem Boom“ (1970–2000). Dis-/Kontinuitäten in westlichen Industrieländern aus zeit- und bildungshistorischer Perspektive

Veranstalter
Jun.-Prof. Dr. Tim Zumhof (Universität Trier)
Ausrichter
Universität Trier
PLZ
54296
Ort
Trier
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
26.09.2024 - 27.09.2024
Deadline
03.05.2024
Von
Tim Zumhof, Erziehungswissenschaft, Universität Trier

Bildungspolitik, Erziehung und Erziehungswissenschaft „nach dem Boom“ (1970–2000). Dis-/Kontinuitäten in westlichen Industrieländern aus zeit- und bildungshistorischer Perspektive

Bildungspolitik, Erziehung und Erziehungswissenschaft „nach dem Boom“ (1970–2000). Dis-/Kontinuitäten in westlichen Industrieländern aus zeit- und bildungshistorischer Perspektive

Der Slogan „nach dem Boom“ ist in der deutschsprachigen Forschung zur Zeitgeschichte zu einer Chiffre für Tendenzwenden, Transformationsprozesse sowie für Auf- und Abbrüche geworden, die sich in den westlichen Industrieländern seit den 1970er Jahren ereignet haben (Voigt 2021; Doering-Manteuffel/Raphael/Schlemmer 2016; Reitmayer/Schlemmer 2014; Andresen/Bitzegeio/Mittag 2011). Nach den „trente glorieuse“ (Fourastie 1979) – den mentalitätsprägenden Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs, der technischen Modernisierung und der Ausweitung des Massenkonsums nach dem Zweiten Weltkrieg – vollzog sich spätestens seit der weltweiten Ölpreiskrise im Jahr 1973 ein „sozialer Wandel von revolutionärer Qualität“ (Doering-Manteuffel/Raphael 2008, S. 29), der den Kalten Krieg überdauerte und bis an die Schwelle der Gegenwart reichte. Dieser Wandel zeigte sich in den sozio-ökonomischen Leitvorstellungen, den Produktions- und Arbeitsweisen, der Sozial- und Bildungspolitik sowie im beruflichen Alltag und der Lebenswelt westlicher Industriegesellschaften.

Die zunehmende (Jugend-)Arbeitslosigkeit in den 1970er und -80er Jahren sowie der Bericht des Club of Rome – „The Limits to Growth“ (1972) – machten den kurzen „Traum immerwährender Prosperität“ (Lutz 1989) zunichte. In dem sich abzeichnenden „Age of Fracture“ (Rod-gers 2012), in dem die Gewissheiten der Moderne zu bröckeln begannen, verlor der Nationalstaat als Steuerungsinstanz der Wirtschaft an Vertrauen, und eine Fortschritts- und Wachstumsskepsis breitete sich aus. Jürgen Habermas (1985) sprach von einer „Krise des Wohlfahrtsstaates“ und einer „Erschöpfung utopischer Energien“. Mit diesem „Ende der Zuversicht“ (Jarausch 2008) war aber nicht nur eine Abkehr von der wohlfahrtsstaatlichen und bildungspolitischen Expansion verbunden, zugleich gewannen nicht-staatliche Akteure sowie die Herausforderungen der Modernisierung wie Umweltschutz, Bevölkerungswachstum und Menschenrechte an globaler Aufmerksamkeit und Bedeutung (Ferguson/Maier/Manela/Sargent 2011). Parallel zu den Globalisierungstendenzen wichen universalistische, die Allgemeinheit betreffende Kategorien und Denkweisen zunehmend der Betonung von Partikularität, Singularität und dem Besonderen (Sarasin 2021). Dieser Individualisierungsschub erzeugte ein plurales Nebeneinander von Lebensentwürfen und Selbstgestaltungsmöglichkeiten, erhöhte aber auch den Druck von Entscheidungszwängen und verschob die Bewältigungslast sozialer Problemstellungen auf das Individuum.

Auch in der Bildungspolitik, der Erziehung und Erziehungswissenschaft zeigten sich diese Zäsuren seit den 1970er Jahren (Hoffmann-Ocon/Criblez 2018). Aus einer bildungsgeschichtlichen Perspektive soll sich die Tagung mit diesen Brüchen, Tendenzwenden und Transformationen zwischen 1970 und 2000 befassen. Erbeten werden daher Beiträge, die einen oder mehrere der folgenden Teilaspekte aufgreifen: (1) Bildungspolitik und Steuerungsmodelle, (2) Wohlfahrtsstaat, Jugendhilfe und Arbeitslosigkeit, (3) Generationenver-hältnis, Jugendkulturen und neue soziale Bewegungen, (4) Neue Medien/Digitalisierung im Kontext von Familie, Schule und Weiterbildung und (5) erziehungswissenschaftliche Forschung, pädagogisches Wissen und das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft.

Abstracts (max. 600 Wörter) für einen 30-minütigen Vortrag auf Deutsch oder Englisch können bis zum 03.05.2024 per E-Mail an zumhof@uni-trier.de eingereicht werden. Eine Rückmeldung an die Autor:innen erfolgt bis Ende Mai 2024. Eine Veröffentlichung der Beiträge wird angestrebt.

Educational Policy, Education, and Educational Roesearch "Post-Boom" (1970–2000): Discontinuities and Continuities in Western Industrialized Countries from a Historical and Educational Perspective

The slogan "post-boom" has become a cipher in German-speaking contemporary for changes, transformations, as well as twists and turns that have occurred in Western industrialized countries since the 1970s (Voigt 2021; Doering-Manteuffel/Raphael/Schlemmer 2016; Reitmayer/Schlemmer 2014; Andresen/Bitzegeio/Mittag 2011). Following the "trente glorieuse" (Fourastie 1979)—the formative years of economic prosperity, technological modernization, and the expansion of mass consumption after World War II—a "social change of revo-lutionary quality" occurred, especially since the global oil crisis in 1973 (Doering-Manteuffel/Raphael 2008). This change persisted beyond the Cold War and extended to the present, manifesting in socio-economic ideals, production and work methods, social and educational policies, as well as the professional and everyday lives of Western industrial societies.

The increasing (youth) unemployment in the 1970s and 80s, along with the Club of Rome's report, "The Limits to Growth" (1972), shattered the brief "dream of perpetual prosperity" (Lutz 1989). In the emerging "Age of Fracture" (Rodgers 2012), where the certainties of modernity began to crumble, the nation-state lost trust as the leading force of the economy. A skepticism towards progress and growth spread. Jürgen Habermas (1985) spoke of a "crisis of the welfare state" and an "exhaustion of utopian energies." This "end of confidence" (Jarausch 2008) not only marked a departure from welfare state and educational expansion but also saw non-state actors gaining prominence. Challenges of modernization, such as environmental protection, population growth, and human rights, gained global attention and significance (Ferguson/Maier/Manela/Sargent 2011). Despite globalization trends, universal and generalizing categories and perspectives gave way to an emphasis on particularity, individuality, and uniqueness (Sarasin 2021). This surge of individualization created multiple opportunities and possibilities for other ways of living but also increased the pressure of decision constraints, shifting the burden of coping with social problems onto the individual.

These ruptures have also been evident in educational policy, education, and educational research since the 1970s (Hoffmann-Ocon/Criblez 2018). From the History of Education perspective, the conference aims to address these breaks, turning points, and transformations between 1970 and 2000. Contributions are sought that address one or more of the following aspects: (1) Educational policy and management, (2) Welfare state, youth programs, and unemployment, (3) Generational relations, youth cultures, and new social movements, (4) New media/digitization in the context of family, school, and continuing education, (5) pedagogy, educational knowledge, and concepts of educational research.

Abstracts (max. 600 words) for a 30-minute presentation in English or German can be submitted by May 3, 2024, via email to zumhof@uni-trier.de. Authors will receive feedback by the end of May 2024. Publication of the contributions is intended.

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